Josyf Zhuk und Anastasij Kalysh – ersterer ein Diözesanpriester, letzterer ein Basilianermönch: Das sind die beiden Namen, die für den Anfang der ukrainisch-katholischen Gemeinde Tirols stehen. Ab 1899 waren sie Theologiestudenten im Collegium Canisianum, dem internationalen Priesterseminar in Innsbruck. Bei ihrer Anreise wurden sie von einem Bischof begleitet, der zu einer der wichtigsten Repräsentanten der katholischen Ostkirchen im 20. Jahrhundert werden sollte: Andrej Scheptyzkyj (1865–1944), unter dem Titel Metropolit von Lemberg von 1901 bis 1944 Oberhaupt der Ukrainischen Griechisch-katholischen Kirche (UGKK).
Schon vor 1899 gab es in verschiedenen Studienfächern ukrainische Studenten an der Universität Innsbruck, doch der Beginn der Präsenz im Canisianum gilt heute als Startpunkt des ukrainisch-katholischen Gemeindelebens. Volodymyr Mamchyn erforscht derzeit diese Geschichte und hat damit den Auslöser geliefert für eine 120-Jahr-Feier, zu der vom 8. bis 10. November 2019 Großerzbischof Sviatoslav Shevchuk von Kiev-Halych (*1970) Innsbruck besuchen wird. Der Besuch unterstreicht die herausragende Bedeutung Innsbrucks und des Canisianums als Ausbildungsstätte ukrainischer Theologen – von 1899 bis 2019 studierten insgesamt mehr als 200 an der Theologischen Fakultät, unter ihnen zahlreiche bekannte Persönlichkeiten, die hohe Ämter bekleideten, wie etwa Josyf Slipyj, ab 1944 als Metropolit von Lemberg, ab 1963 mit dem Titel Großerzbischof bis 1984 Oberhaupt der UGKK, und sein Nachfolger Myroslav Ivan Lubachivsky (1985–2000).
Die Zeitumstände (der Nationalsozialismus, der Krieg und die Verfolgung der UGKK in der Sowjetunion in den Nachkriegsjahren) bedeuteten zwar das vorläufige Ende der Präsenz von Theologiestudenten aus der Ukraine in Innsbruck. Andererseits war die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Aufenthalt zahlreicher Emigranten und Flüchtlinge aus der Ukraine in Westösterreich – Tirol zählte damals fast 10.000 Ukrainer, über 7.000 davon griechisch-katholisch – eine entscheidende Phase für die Herausbildung ukrainischer Strukturen. 1947 betreuten insgesamt 18 Priester die Tiroler Ukrainer, und in ganz Österreich gab es ukrainische Vereine und Studentenorganisationen. Die schwierigen Lebensbedingungen zwangen aber die meisten dazu, weiter nach Westen zu emigrieren, nach Nordamerika und Australien, so dass die Zahl der Ukrainer in den 1950er-Jahren dramatisch sank.
Ab 1961 konnten wieder Theologiestudenten aus der ukrainischen Diaspora und der Ukraine zum Studium nach Innsbruck kommen. Die im Dachgeschoß des Canisianums eingerichtete und am 8. Mai 1969 von P. Vladimir Richter SJ eingeweihte Kapelle zu Ehren der Heiligen Volodymyr und Olha bewährte sich als geistliches Zentrum und Lebensmittelpunkt der kleinen ukrainischen Gemeinde in Tirol. Im Jahr 2002 vorübergehend ins Hochparterre des Gebäudes verlegt, fand sie 2013 im Kellerraum des nunmehrigen Studentenheimes Canisianum eine würdige Heimstatt mit Sakristei und Gemeinderaum. Die – auch durch das Andreas-Petrus-Werk unterstützte – Anschaffung und am 26. Mai 2019 erfolgte Einweihung der neuen schmiedeeisernen Ikonostase zeugt von der Lebendigkeit der aktuell etwa 100 Personen umfassenden ukrainischen griechisch-katholischen Gemeinde, die von dem aus der Ukraine stammenden Innsbrucker Diözesanpriester und Pfarrer im Seelsorgeraum Haiming Volodymyr Voloshyn betreut wird. Am Sonntag 10. November 2019 wird Großerzbischof Sviatoslav Shevchuk in dieser Kapelle in ukrainischer Sprache die Göttliche Liturgie feiern. (Liborius Lumma)
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