Martin Mosebach:
Die 21.
Eine Reise im Land der koptischen Martyrer.
Rowohlt: Reinbek 2018.
272 S.
€ 20,–
ISBN 978-3-49804540-1
2015 schockierte die Meldung, der IS habe an einem Strand in Libyen 21 ägyptische Wanderarbeiter hingerichtet. Sie wurden enthauptet, weil sie koptische Christen waren und zu ihrem Glauben standen. Ein Video, das in einer durchdachten Inszenierung die Morde zeigt, konnte dazu im Internet abgerufen werden. – Der Autor wollte die geistliche Welt, dieser Männer kennenlernen und besuchte ihre Heimatorte, ihre Angehörigen sowie die für die 21 jungen Männer zuständigen kirchlichen Instanzen. Diese Besuche wurden zu Einblicken in eine für den nichtkoptischen Christen überraschende Glaubens- und Geisteswelt, in der weder Trauer oder Wut zu spüren, noch der Ruf nach Rache zu hören war, sondern die Freude darüber, dass eine Familie oder Dorfgemeinschaft einen Märtyrer hervorgebracht hat. Das Geschehen ist für die koptischen Christen eine Aktualisierung der Apostelgeschichte und der Zeit der frühen Kirche und somit ein Bekenntnis zu Jesus und Zeugnis für den Glauben, mit dem jeder Christ nach den Worten Jesu rechnen muss. Dem etablierten Christentum der westlichen Welt ist der Sensus dafür eher abhanden gekommen, der koptischen Kirche, für die seit Jahrhunderten ihr sie diskriminierender Status gleich geblieben ist, nicht. Mit gutem Grund kann sie sich als Fortführung der alten Kirche der Märtyrer betrachten, die ganz nahe bei Jesus ist. Mosebach ist weit davon entfernt, eine unkritische Heiligenlegende zu verfassen. Er recherchiert aufwändig, versucht zu verstehen, stellt in Frage, lässt Fragen offen. Es geht ihm darum, eine Lebenswelt zu erkunden und auf ihre Gegenwartstauglichkeit hin abzuklopfen, die in vielerlei Hinsicht eine Gegenwelt zu der Welt ist, die uns umgibt und die den Blick auf andere Wirklichkeiten verstellt. Diese Gegenwelt ist weder Schönrederei noch Schicksalsergebenheit oder gar Erfindung der Esoterik, sondern genuin christliche Tradition. Es ist gut, einmal daran erinnert zu werden. (Hanns Sauter)