Gerhard Schweizer:
Kreuz und Schwert.
Glaube und Politik der orthodoxen Kirchen.
Herder Freiburg 2023.
240 Seiten, ISBN 978-3-451-39562-8
Die Rolle der orthodoxen Kirchen in der Politik ihrer Heimatländer sowie der Einfluss der Politik auf die dortigen Kirchen sind – zuletzt angefeuert durch den Krieg in der Ukraine – ein ebenso komplexes wie heiß diskutiertes Thema. Der Journalist Gerhard Schweizer versucht, Westeuropäern einen Durchblick durch das für sie eher undurchschaubare Konglomerat zu geben. Dazu zeichnet er das Werden der östlichen Kirchenstruktur nach, die – bedingt durch politische Gegebenheiten – bereits von Anfang an stärker national ausgerichtet war als im Westen. Dort war durch den Papst eine gewisse Einheitlichkeit und Selbständigkeit den politischen Machthabern gegenüber gegeben; für den Osten zerbrach diese spätestens mit der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453. Die Folgen waren tiefgreifend, vor allem als infolge des aufsteigenden Moskauer Fürstentums auch dessen kirchliche Hierarche ihre Rangerhöhung durchsetzte und Nachfolgeansprüche gegenüber dem Patriarchat in Konstantinopel laut wurden, das unter der nun osmanischen Herrschaft nur in engen Grenzen agieren konnte, und die Beziehungen dadurch verkomplizierte. Gut lesbar beschreibt Schweizer weiter Entwicklungen der Orthodoxie durch die Jahrhunderte. Dabei fällt allerdings auf, dass ein für die russische Kirche (und die Thematik des Buches) so einschneidendes Ereignis wie die Auflösung des Moskauer Patriarchates unter Zar Peter I. 1721 und dessen Wiedererrichtung 1917 nicht erwähnt wird. Ausführlich geht er wieder auf Entwicklungen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und dem Zerfall Jugoslawiens ein, sowie darauf, wie kriegsführende Staaten die Religion als Propagandainstrument nutzten und nutzen. Erstellt Schweizer einen guten Überblick über gesellschaftlich-politische Gegebenheiten und Zusammenhänge, so zeigt er sich im theologischen und auch innerkirchlichen Bereich wenig bewandert. Obwohl z. B. im Titel „orthodoxe Kirchen“ steht, ist überwiegend von der russischen Kirche die Rede, die Überlegungen im Schlusskapitel „Die Zukunft des orthodoxen Christentums. Von der Abgrenzung zum Dialog?“ sind über weite Passagen eher persönlich-subjektive Eindrücke als eine aktuelle Darstellung des Dialoges mit der römischen Kirche und die Literatur, auf die Schweizer zurückgreift, gehört nicht unbedingt zur aktuellen (Fach-)Literatur. Fazit: ein begrüßenswertes, interessantes und notwendiges Unternehmen – allerdings „im Sprung gehemmt“. (Hanns Sauter)