Nachdem schon Konstantin 325 mit dem Bau einer großen Basilika in der neu gegründeten Hauptstadt begonnen hatte (vollendet unter Constantius II.) und nachdem Theodosius II. nach dem Brand von 404 die Kirche am selben Ort wiederaufgebaut hatte, entschloss sich Justinian nach den Zerstörungen des Nika-Aufstands im Jahr 532 zu einem Neubau, der alles Bisherige weit übertreffen sollte. Die Architekten Isidor von Milet und Anthemios von Tralleis vollendeten mit einem Heer von 10.000 Arbeitern in nur fünf Jahren einen Bau von bislang nicht gekannten Dimensionen und bautechnischen Herausforderungen:
Auf einem Rechteck von 80 x 70 m erbaut, Spannweite der Hauptkuppel 32 m, vom Fußboden bis zum Kuppelscheitelpunkt 55 m. Einzigartig und völlig neu war, dass die Kuppel auf vier Pfeilern ruht und so gleichsam über dem darunter liegenden Raum schwebt. 40 Fenster allein in der Kuppel, weitere an den Seitenwänden hüllen den Raum in ein „überirdisches“ Licht. Dazu kommt eine äußerst kostbare Innenausstattung: Marmorverkleidung der Säulen und Wände bis zum Gewölbeansatz, wertvoller Marmorfußboden. Die Hauptkuppel, die Halbkuppeln, die Gewölbe des Narthex, die Seitenschiffe und die Emporen – insgesamt eine Fläche von über 10.000 m² – waren ursprünglich mit goldgrundierten Mosaiken bedeckt, die später durch Mosaikbilder ergänzt wurden.
Neben der Tatsache, dass die Hagia Sophia ein Wunder spätantiker und frühbyzantinischer Baukunst mit großer Strahlkraft und Wirkungsgeschichte darstellt, waren es die einzigartigen Mosaike, die jährlich Millionen von Besuchern in die 1934 zum Museum umgewidmete einstige Hauptkirche des byzantinischen Reiches lockten – sie sind seit der im Juli 2020 erfolgten Umwandlung in eine Moschee mit weißen Tüchern verhängt und den Blicken entzogen. Nicht das erste Mal in der langen, ereignisreichen Geschichte dieses Gotteshauses! Aus der Zeit vor dem Bilderstreit (729–843) sind nur wenige ornamentale Mosaike erhalten. Die in den folgenden Jahrhunderten entstandenen Mosaikbilder, von denen hier vier berühmte Beispiele vorgestellt werden, sind 1931 freigelegt worden. Sie waren nach 1453, als im Zuge der Indienstnahme als Hauptmoschee der Osmanen alle christlichen Insignien verschwanden, hinter einer Putzschicht verborgen, durch die Tessiner Brüder Fossati ab 1847 zwar freigelegt und erforscht, danach aber wieder übertüncht worden.
Der Blick vom Hauptraum (Naos) mit Minbar (Kanzel) und riesigem Rundschild am Vierungspfeiler („Allah“ in arabischer Kalligraphie) als muslimischen Ausstattungsstücken in die Hauptapsis mit dem monumentalen und zugleich intimen Bild der thronenden Muttergottes mit Kind verweist auf das konfliktreiche Nebeneinander von Islam und Christentum, für das die Hagia Sophia steht.
Stiftermosaik aus dem 11. Jahrhundert mit Konstantin als Stadtgründer und Justinian, der das Modell der Hagia Sophia in Verehrung der thronenden Gottesmutter präsentiert (Vorhalle im Westen).
Thronender Christus mit Kaiser Leon VI. (886–912) zu seinen Füßen (ältestes Mosaik aus dem 9. Jahrhundert über dem Kaisertor).
Ein besonders eindrucksvolles, teilweise zerstörtes Andachtsbild (Deesis) aus dem 14. Jahrhundert zeigt Maria und Johannes mit dem Pantokrator (Südempore).
Knapp nach dem denkwürdigen Besuch von Papst Benedikt XVI. in Istanbul im Dezember 2006 brach eine 21-köpfige Pro Oriente-Delegation mit Erzbischof Alois Kothgasser (Salzburg) und Bischof Manfred Scheuer (Innsbruck) nach Istanbul auf. Auf dem Programm standen u.a. ein Empfang beim Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. in seinem Amtssitz (9. Dezember) und natürlich auch die Besichtigung der Hagia Sophia, des historisches Zentrums der Orthodoxie.