Lass auch uns dein Licht erstrahlen

Die Ikone vom Fest der Verklärung des Herrn

Ein Artikel unseres Nationalsekretärs Mag. Hanns Sauter

Der Artikel ist erschienen in: praedica verbum. Zeitschrift im Dienst der Glaubensverkündigung. 129 Jahrgang, Heft 4 2024. Sie können die Druckversion hier als PDF-Datei anschauen und herunterladen.

Das Fest – Geschichte und Bedeutung

Die „Verklärung Christi“ ist ein Ereignis, von dem die drei synoptischen Evangelien berichten: „Jesus nahm Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg… Und er wurde vor ihnen verwandelt; seine Kleider wurden strahlend weiß, so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann…“ (Mk 9,2, parr) Das griechische Wort μεταμόρφωσις – Gestaltwandlung – lateinisch: transfiguratio – wird mit dem deutschen Wort „Verklärung“ (1, Fußnoten siehe unten auf der Seite) ungenau wiedergegeben. Es geht nicht darum, Vergangenheit zu „verklären“ im Sinne von „beschönigen“, „in einem besseren Licht erscheinen zu lassen“, sondern um das Sichtbarwerden der Gottheit Christi, um die Bestätigung seines Weges auf Erden durch seinen Vater und um die Verheißung, dass alle, die Jesus Christus nachfolgen, auf dem Weg sind in das Leben Gottes hineingenommen zu werden. Es geht also um die Zukunft des Menschen.

Ikone zum Fest der Verklärung des Herrn, gemalt von Gerlinde König, Langenzersdorf
Ikone zum Fest der Verklärung des Herrn, gemalt von Gerlinde König, Langenzersdorf

Im Tropar des Festes sind diese Gedanken enthalten, in den weiteren Hymnen und Texten der Gottesdienste werden sie entfaltet und durch die Ikone vor Augen gestellt. (2) Entstanden ist das Fest wohl im 4. Jh. im Zuge des Baues einer von Kaiserin Helena initiierten Gedächtniskirche auf dem Berg Tabor. Bereits zur Zeit des Kaisers Justinian (527–565) wird es als „Metamorphosis“ begangen und erlangte im christlichen Osten große Bedeutung. In der Orthodoxie zählt es zu den zwölf Hauptfesten des Kirchenjahres (Dodekaorton) – vergleichbar den Hochfesten der römischen Kirche. Die Westkirche kannte das Fest damals zwar auch – vor allem wurde es im griechisch geprägten Süditalien gefeiert – doch erst Papst Calixtus III. führte es 1457 für die römische Kirche allgemein ein. Es sollte an den Sieg, den der Ungarnkönig Hunyady am 6. August 1456 über die Türken in Belgrad erlang, erinnern.

In den Evangelien hat das Fest einen eindeutigen Bezug zum Leiden Christi. Nach syrischer Überlieferung ereignete sich die Gestaltwandlung Jesu 40 Tage vor seiner Kreuzigung. In der römischen Kirche wird die Perikope daher, je nach Lesejahr aus dem entsprechenden Evangelium, am 2. Sonntag der östlichen Bußzeit gelesen. Der Bußcharakter der Fastenzeit stand jedoch einer wirklichen Feier des Festes entgegen, so dass es in den Sommer verlegt wurde und zwar auf den vierzigsten Tag vor den Festen der Auffindung und Erhöhung des Kreuzes Jesu, die älter sind als das Fest der Verklärung. Der Tradition nach hat am 13. September 326 Kaiserin Helena das Kreuz Jesu in Jerusalem gefunden und dafür den Bau einer Kirche veranlasst. Am 14. September 335 wurde diese Kirche (die Vorläuferin der heutigen Grabeskirche) eingeweiht und das Kreuz Jesu dem Volk zur Verehrung erstmals gezeigt (erhöht). Der Bezug der Verklärung zu Passion und Kreuzigung Jesu wurde also durch die Verlegung des Festes in den Sommer bewahrt. Der sommerliche Festtag hat aber noch einen anderen Aspekt. Die Gestaltwandlung Jesu ist ein Ereignis, das den ganzen Kosmos betrifft. Durch seine Menschwerdung hat Jesus die irdische Materie in seine Göttlichkeit integriert und steht dadurch in Gemeinschaft mit allen Menschen, allen anderen Geschöpfen und aller Materie. Dadurch ist die ganze Schöpfung aus der Gottferne gerettet und berufen am Leben Gottes teilzunehmen. Dieses Leben beginnt mit der Antwort des Menschen auf den Ruf Gottes, wächst durch ihr Bemühen, Jesus nachzufolgen und den Glauben zu vertiefen und findet seine Erfüllung in der Auferstehung – Neuschöpfung – wenn Sünde und Tod ihre Macht über den Menschen für immer verlieren. Durch den Hesychasmus, eine Form der byzantinisch-orthodoxen Spiritualität, die sich im Mittelalter besonders auf dem Athos entwickelte, erhielt das Fest der Verklärung für das orthodoxe Mönchtum eine weitere Bedeutung. Namensgebend dafür war Johannes Hesychastes (454–559) (3), der die Stille (ἡσυχία – Hesychia) suchte, deshalb Einsiedler wurde, gegen seinen Willen zeitweise Bischof von Kolonia in Armenien war, seit 491 wieder als Einsiedler im Mar Saba Kloster bei Jerusalem lebte. Achthundert Jahre später beriefen sich Mönche vom Athos mit ihrer Gebetspraxis auf ihn. Sie pflegten eine Meditationsform, die vom äußeren und inneren Streben nach Ruhe gekennzeichnet ist und bei der es auch zu Lichterscheinungen kam. (4) Von Lichterscheinungen, die während intensiven Betens auftreten können, sprechen bereits die Wüstenväter des 4. Jh. Wie dieses Licht zu deuten sei, darüber gingen die Meinungen auseinander. Ab dem 14. Jh. setzte sich die Auffassung durch es handle sich, vorausgesetzt sie seien keine Täuschung, um das „Taborlicht“ – jenem Licht, das von Jesus bei seiner Gestaltwandlung ausging, das daher ungeschaffen, also göttlich ist. Dieses Licht zu schauen ist nach Überzeugung der Hesychasten und deren wichtigsten Vertreter Gregorios Palamas (1296–1357), eine unmittelbare Erfahrung Gottes und daher das Erleben der „himmlischen Seligkeit“: Gott zu schauen, wie er ist. (vgl. 1 Joh 3,2) Zu dieser Seligkeit aber sind alle Menschen berufen; sie ist das Ziel ihres Lebensweges. (5)

Gott schauen

In der unmittelbaren Nähe Gottes und in Gemeinschaft mit ihm zu leben war gegeben im Paradies. Durch den Sündenfall hat sich der Mensch dies zwar verwirkt, der Wunsch und die Sehnsucht danach sind ihm aber geblieben. Ebenso hat Gott Sehnsucht nach dem Menschen, seinem Partner und Ebenbild. Dem Mensch aber fehlen die Kräfte, die Situation des Paradieses wieder herzustellen. Deshalb ergreift Gott die Initiative indem er Menschen in seinen besonderen Dienst ruft und sie beauftragt, auf ihre Mitmenschen einzuwirken, ihn zu suchen und sich ihm anzuvertrauen: die Propheten. Mose und Elija galten hier wegen ihres unmittelbaren Zugangs zu Gott als die herausragendsten. Nach allgemeiner Überzeugung kann kein Mensch Gott schauen. Dies gilt – mit bestimmten Bedingungen, nicht für Mose und Elija. Mose bittet Gott schauen zu dürfen, gewissermassen als Bestätigung des Auftrages, den er von ihm erhalten hat. Gott stimmt zu, doch trifft er Schutzmaßnahmen. Mose darf nur Gottes Rücken schauen und muss sich dazu in einen Felsspalt stellen. Zusätzlich hält Gott während der Erscheinung noch schützend seine Hand über ihn. (Ex 33,18–34) Elija, der davon frustriert ist, dass Gottes Aufträge ihm mehr Schwierigkeiten als Erfolge eingebracht haben und sich deshalb in eine Höhle am Berg Horeb versteckt hat, wird aufgefordert, aus dieser Höhle herauszukommen um Gottes Nähe zu erfahren. Er erlebt sie im leisen Säuseln eines Windes. Dieses Erlebnis motiviert ihn neu, den Weg zu gehen, den er einmal mit Gott und in seinem Auftrag eingeschlagen hat. (1 Kön 19,9–18) Beide Propheten dürfen Gott begegnen. Zwar zeigt er sich auch ihnen nicht in seiner ganzen Gestalt, doch die Begegnung bestärkt sie in ihrem Dienst und verleiht ihnen neue Kräfte.

Anders die Evangelien. Die Jünger gehen ihren Weg mit Jesus. Während sie unterwegs sind fragt er sie: „Für wen halten mich die Leute?“ Ihre Antwort war: „Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija…“ Daraufhin fragt Jesus: „Für wen haltet ihr mich?“ und er erhielt von Petrus die Antwort: „Für den Christus Gottes.“ (Lk 9,18–22) Jesus kündigte den Jüngern daraufhin sein Leiden und seine Auferstehung an und nimmt sie einige Tage später mit auf einen Berg, auf dem sich dann seine Gestaltwandlung ereignete. Sie war die Bestätigung einerseits des Bekenntnisses des Petrus, Jesus sei der erwartete Messias, andererseits auch die Gottes, dass der Weg, den Jesus einschlägt – mit allem war auf ihn und auch auf die Jünger zukommt – im Einklang mit dem Willen Gottes geschieht. Jesus ist es daher wichtig, sich seinen Freunden in seiner göttlichen Gestalt zu zeigen. Diese können sie aushalten, auch wenn sie dabei ganz massiv an ihre Grenzen stoßen.

So enthält die Verklärungsgeschichte zwei Botschaften. Die eine sagt etwas aus über Jesus und lautet: Er ist Gott, dessen Macht und Herrlichkeit stärker sind, als alle anderen Mächte. Die zweite Botschaft betrifft den Menschen und besagt: Wer sich Jesus angeschlossen hat, ist auf dem Weg in die Herrlichkeit – die unmittelbare Nähe und Gemeinschaft mit Gott – die er sich erhofft. Er wird diesen Weg gehen, wie ihn Jesus gegangen ist: über Höhen und Tiefen, Hoch-Zeiten und Einbrüchen aber immer im Vertrauen auf den Vater, der mit ihm geht. Schließlich führt dieser Weg in die Herrlichkeit. Die Ikone und die Hymnen des Festes nehmen uns in das Geschehen hinein.

Die Botschaft der Ikone

In der Bibel sind Berge Orte der Gottesbegegnung. Am Sinai erwartete Gott den Mose und dort schlossen Gott und das Volk Israel einen Bund, am Horeb hatte der Prophet Elija eine Gotteserscheinung, Jesus zieht sich regelmäßig auf einem Berg zum Gebet zurück. Nun möchte er – wieder auf einem Berg – seinen engsten Freunden sein eigentliches Sein offenbaren. Sie sollten Gewissheit darüber haben, dass alles, was er sagt und tut und auch alles, was noch geschehen wird, im Einklang steht mit dem Willen und den Plänen Gottes. Immerhin ist Jesus auf dem Weg nach Jerusalem und hat mit seinen Jüngern über sein bevorstehendes Leiden gesprochen. Er weiß, dass die Ereignisse, die in Jerusalem geschehen werden, für den Glauben der Jünger eine harte Probe sind. Daher ist es ihm daran gelegen, ihnen zu zeigen, dass sein Leiden und sein Sterben nicht das Ziel seines (und ihres) Weges sind, sondern die Herrlichkeit. In der Vesper findet sich dazu folgender Gesang: „Als du die Gestalt wandeltest und vom Vater bezeugt wurdest, war Petrus dabei mit Jakobus und Johannes, denn sie sollten zur Zeit deiner Preisgabe zugegen sein; deine Wundertaten sollten sie vorher schauen, damit sie nicht zagten vor deinen Leiden; diese anzubeten in Frieden, würdige uns wegen deines großen Erbarmens. (6)

Drei Felsspitzen bilden den Gipfel des Berges auf den Jesus die Apostel geführt hat. Über der mittleren schwebt Jesus. Er ist zentrale Gestalt des Geschehens und somit der Ikone. Sein Gewand strahlt „so weiß, wie es kein Bleicher auf Erden machen kann.“ (vgl. Mk 9,3) Weiße Kleider sind das Zeichen des Lebens, des Lebens Jesu, der das Licht der Menschen ist. (Joh 1,4) Strahlendes Weiß ist auf den Ikonen Jesus vorbehalten, wenn es darum geht, dass er Licht und Leben ist bzw. den Menschen bringt. Im selben Weiß strahlt das Gewand des in das Totenreich stürmenden Erlösers auf der Anastasisikone und leuchten auf der Weihnachtsikone die Windeln, in die das neugeborene Jesuskind gewickelt ist. Beide Male bringt der Gottessohn Licht in eine finstere Welt. Bei der Verklärung nun geht es darum zu zeigen, dass Jesus das Licht ist, der Gott, in dem keine Finsternis herrscht (vgl. 1 Joh 1,5), der die ganze Schöpfung in sein Licht hineinnimmt und umwandelt. Wo dieses Licht ist, gibt es keinen Schatten, denn da, wo Gott ist, haben das Böse und alles Negative keinen Platz. Die ganze Szene ist daher in Licht getaucht. Jesus umgibt eine Aureole, ihre konzentrischen Kreise deuten die Sonne an. Die Aureole ist in Weiß, in Weiß mit Gold oder in Weiß mit abgestuften Blautönen gehalten – den Farben des göttlichen Lichtes – oder in dunklem Blau-grün, das auf die unergründliche Tiefe der göttlichen Welt verweist. Aus dieser für den Menschen nicht fassbaren Welt ist Jesus gekommen. Das unerschaffene göttliche Licht leuchtet in die geschaffene Welt, Strahlen gehen von Jesus aus. Hinter Jesus ist ein sechszackiger Stern sichtbar. In der Apokalypse bezeichnet sich Jesus als der strahlende Morgenstern. (Offb 22,16) Der Morgenstern ist sowohl das Symbol der zu Ende gehenden Nacht als auch des neu anbrechenden Tages. Er gibt die Richtung an, sorgt für Orientierung. Bisher haben das Gesetz und die Propheten, für die Mose und Elija stehen, den Weg gezeigt. Nun werden sie abgelöst durch Jesus. Er zeigt nicht nur den Weg, sondern er selbst ist der Weg. Wer sich an ihn hält, kann nicht falsch gehen. Dies zu verstehen und zu beherzigen wünscht Petrus bei einer späteren Reflexion des Verklärungsgeschehens in einem Schreiben den Lesern: „Denn wir sind nicht klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft unseres Herrn Jesus Christus kundtaten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe. Die Stimme, die vom Himmel kam, haben wir gehört… Dadurch ist das Wort der Propheten für uns noch sicherer geworden und ihr tut gut daran, es zu beachten, wie ein Licht, das an einem finsteren Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in eurem Herzen. (2 Petr 1, 16–19) Mit Jesus ist der neue Tag angebrochen.

Neben Jesus stehen – jeder auf einem eigenen Felsen – Mose und Elija. Mose gewöhnlich auf der rechten, Elija auf der linken Seite, beide in einer leicht geneigten Haltung, die Ehrfurcht andeutet. Ihre Köpfe sind zum Zeichen, dass sie sich bereits in der göttlichen Welt aufhalten von einem Nimbus umgeben. Mose hat ein jugendliches Gesicht und trägt einen gestutzten Bart. Über ihn heißt es: „Mose war hundertzwanzig Jahre alt, als er starb. Sein Auge war noch nicht getrübt, seine Frische noch nicht geschwunden.“ (Dtn 34,7) Er schaut auf Jesus und spricht mit ihm auf Augenhöhe wie damals am Sinai mit Gott (Ex 33,11). In seinen Händen hält er – als Buch oder in der Form der Steintafeln – das Gesetz, das er einst empfangen hat. Nun übergibt er es Jesus, der die Erfüllung des Gesetzes ist und der, den zu sehen sich viele Propheten und Gerechte gewünscht hatten. Den Jüngern, die vom Licht überwältigt am Boden liegen und das Geschehen in einem Trancezustand mitverfolgen, wir bewusst, dass sie die ersten sind, denen dieser Wunsch erfüllt wird. (Mt 13,17) Steht Mose für die Tora, das Gesetz, den einen Teil des Alten Testaments, so Elija für ihren zweiten, die Propheten. Als solcher ist er dargestellt mit langem Haar und langem Bart, gekleidet in den Prophetenmantel, und weist mit seiner rechten Hand auf Jesus hin. Gilt Mose als der erste Prophet so Elija als der letzte, der vor dem Messias kommen soll. Sein Name bedeutet: „Mein Gott ist Jahwe“. Wie Jesus erfüllt er Gottes Willen und führt die Aufträge aus, die Gott im überträgt. Mit Jesus erfüllen sich Gesetz und Propheten. Er ist der Wille und die Botschaft Gottes an die Menschen. Die Stimme Gottes, die dies bestätigt und gleichzeitig zum Glauben an Jesus appelliert, wird in der Ikonografie angedeutet durch ein Kreissegment über Jesus, dem Zeichen für den geöffneten Himmel.

Mose und Elija war zu ihren Lebzeiten nicht vergönnt, Gott zu schauen, wie er ist. Petrus, Jakobus und Johannes dürfen es. Doch bringt sie dieses Erlebnis an den Rand ihrer Kräfte. Sie stürzen zu Boden. Auf manchen Ikonen haben sie Lichtstrahlen, die von Jesus ausgehen, getroffen. Von Jesus aus gesehen rechts ist Petrus auf die Knie gefallen. Mit beiden Händen und Armen gestikulierend versucht er zu Jesus aufzuschauen. Johannes, in der Mitte, fällt so, dass das Licht auf seinen Rücken trifft. Jakobus wollte offensichtlich dem Licht ausweichen und ist dabei hingefallen. Eine Hand hält er schützend vor seine Augen. Haben die Jünger bisher Jesus nur in seiner menschlichen Gestalt und von seiner menschlichen Seite kennengelernt, so zeigt er sich ihnen jetzt in seiner göttlichen Herrlichkeit. Vor dieser Herrlichkeit kann sich nichts und niemand verbergen, in diese Herrlichkeit sind alle hineingenommen. Grüne Pflanzen weisen darauf hin, dass die Gestaltwandlung Jesu auch für die Schöpfung neues Leben, Heil und Vollendung bedeutet. Denn auch für sie besteht die Hoffnung, dass sie von der Knechtschaft und Vergänglichkeit befreit werden soll zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. (vgl. Röm 8,21) In der Vesper wird dazu gesungen: „Durch dein Licht hat du den ganzen Erdkreis geheiligt, als du auf dem hohen Berg die Gestalt wandeltest, Guter; du zeigtest deinen Schülern deine Macht, dass du den Kosmos erlösen werdest aus der Übertretung. Deshalb rufen wir zu dir: Mitleidiger Herr, rette unsere Seelen.“ (7)

Wo Jesus ist, ist Gott, wo Gott ist, ist Leben, Licht, Herrlichkeit. So die Botschaft. Petrus hat das trotz allem erfasst, wenn er – etwas unbeholfen – von den drei Zelten (8) spricht, die er für Jesus, Mose und Elija aufbauen möchte. Während der Wüstenwanderung Israels war das Offenbarungszelt, die Stiftshütte, wie es auch genannt wurde, Zeichen der Anwesenheit Gottes unter seinem Volk. (Ex 27,1) Sie durften aber nur ausgewählte Personen betreten. Nun ist aber da, wo Jesus ist, Gott. Gott aber geht mit den Menschen. Dazu wieder aus der Vesper: „Deine unzugängliche Gottheit schauten die Erwählten der Apostel auf dem Berg der Gestaltwandlung… verwandelt wurden sie durch göttliche Ekstase und von einer lichten Wolke umstrahlt hörten sie die Stimme des Vaters, die das Mysterium deiner Menschwerdung bekräftigte, dass du einer bist – eingeborener Sohn und Erlöser des Kosmos… Petrus, Jakobus und Johannes zeigtest du heute auf dem Berg Tabor die Herrlichkeit deiner göttlichen Gestalt…Und eine Stimme bezeugte von oben: dieser ist mein geliebter Sohn, der in die Welt gekommen ist, den Menschen zu retten.“ (9)

Bei manchen Ikonen ist auf der linken Seite unten eine Höhle zu sehen, in der Jesus – er trägt einen Nimbus – zu sehen ist, der gerade Petrus, Jakobus und Johannes beiseite genommen hat. (10) Es sind dieselben Jünger, die er auch in der Leidensnacht am Ölberg zu seinen Begleitern machte, in der sie ihn von einer nochmals anderen Seite erleben sollten. Sie gehen – Jesu voran – den Berg, auf dem er sie in das Geheimnis seiner Person einweihen möchte, hinauf. Auf der rechten Seite ist die Gruppe wieder eine Höhle zu sehen, in der sie den Berg hinunter gehen. Auch diesmal ist Jesus an der Spitze. Die Höhlen sind eine Anspielung sowohl auf die Felsspalte, in die sich Mose stellen musste, bevor ihm Gotte erschien, als auch auf die Höhle, vor der sich Elija stellen sollte, damit er den Wind, in dem Gott war, verspüren konnte. Die Höhle ist aber immer auch ein Symbol für die Welt, für ihr Dunkel und damit auch für das Auf und Ab, das mit dem Leben auf Erden verbunden ist. Jesus ist gekommen, um in eine dunkle Welt Licht zu bringen und um den Menschen einen Weg aus dem Dunkel, seinen Fallen und Gefahren zu zeigen. Der Weg, den er gegangen ist, um dieses Dunkel hell zu machen, war dornig, voller Hindernisse und Tücken; ihm stellten sich Schwierigkeiten, Bosheiten und Grausamkeiten aller Art entgegen. Im Vertrauen auf Gott, der ihn begleitet hat und hinter ihm gestanden ist, hat er ihn bewältigt. Nun ist er die Vertrauensperson für alle Menschen, die ihren Weg gehen, bei dem sich Höhen und Tiefen, ein eintöniger oder auch schwieriger Alltag abwechseln, der vor Rätsel, Schicksalsschlägen und andere Herausforderungen stellt. Wer sich Jesus anschließt und sich von ihm führen lässt, kann seinen Weg bestehen. Die Probleme, die dabei warten, werden nicht verschwinden, doch die Kraft, damit umzugehen, wird wachsen. Jesus nachzugehen ist die richtige Entscheidung. Gott selbst lädt dazu ein. Dazu ein weiterer Gesang: „Auf hohem Berg ward unser Retter verklärt, die Fürsten der Jünger neben sich. In Herrlichkeit erstrahlt er und zeigt ihnen, wie sie Glanzes der Gottesherrlichkeit teilhaft werden sollen. Moses und Elias, die mit ihm reden, ihn als Herrscher über Leben und Tod, ihn, der als Gott durch Gesetz und Propheten gesprochen. Ihm gilt des Vaters Stimme aus der Wolke: auf diesen sollt ihr hören, der durch sein Kreuz die Hölle besiegt und den Toten das ewige Leben schenkt.“ (11) Die Jünger, die mit Jesus gehen, haben dies – so sagen es die Hymnen – erfasst: „Als die Schüler dich, den unsichtbaren Glanz, in der väterlichen Herrlichkeit aufstrahlen sahen, Christus, unser Gott, riefen sie dir zu: In deinem Licht mach gerade unseren Weg.“ (12)

Der Weg von Petrus, Jakobus und Johannes und ihrer Mitjünger, ist auch der Weg der Jünger Jesu von heute. (Hanns Sauter)


Fußnoten

(1) Zur Geschichte des Festes: Gaetano Passarelli: Die Ikonen zu den großen byzantinischen Festen, Zürich und Düsseldorf (Benzinger-Verlag)1998; Lothar Heiser: Quellen der Freude. Die Hochfeste der orthodoxen Christen, Gersau (Verlag Fluhegg) 2002; Karl Heinrich Bieritz: Das Kirchenjahr. Feste, Gedenk- und Feiertage in Geschichte und Gegenwart. München (C.H. Beck) 2014.

(2) Der Tropar lautet: Verklärt wardst Du auf dem Berge, Christus, unser Gott, zeigtest Deinen Jüngern Deiner Gottheit Herrlichkeit soweit sie’s konnten fassen; lass auch über uns Sündern Dein ewig‘ Licht erstrahlen auf die Fürbitte der Gottesgebärerin, Spender des Lichtes, Ehre sei Dir.

(3) Der Biograf von Johannes Hesychastes war Kyrillos von Skythopolis, dazu Karl Suso Frank: Kyrillos von Skythopolis, Mönch und Hagiograph (525 bis um 557/558) in: Lexikon des Mittelalters, Band 5.

(4) Andreas Ebert /Carol Lupu: Hesychia. Das Geheimnis des Herzensgebets. München, 3. Aufl. 2016 (Claudius-Verlag); dies.: Hesychia II Wege des Herzensgebetes, München 2014.

(5) Fairy von Lilienfeld: Hesychasmus: Theologische Realenzyklopädie Band 15, 1986.

(6) 6. August, große Vesper, Stichera 4. Ton.

(7) Vesper, Liti, Stichera, 2. Ton.

(8) Manche Bibelausgaben, so auch die Einheitsübersetzung geben das griechische Wort skäna (Mt 17, 4) mit „Hütte“ wieder.

(9) Nachfeier, Vesper, Stichera, 6. Ton.

(10) Bekannt ist hier die Ikone von der Verklärung Christi, die sich in der Verklärungskathedrale im westrussischen Pereslawl-Salesski befand. Sie befindet sich heute in der Tretjakow-Galerie in Moskau und wird Theophanes dem Griechen (1330–1410) zugeschrieben.

(11) Nachfeier,Vesper, Aposticha, 2. Ton.

(12) Orthros, Kanon, Irmos zur 5. Ode. Die Hymnen in: Gepriesen bist Du, Herr! Gebetbuch des byzantinischen Ritus. Herausgegeben vom Collegium Orientale Eichstätt, Eichstätt 2020, www.collegium-orientale.de.

Die Ikone vom Fest der Verklärung des Herrn