Im Jänner 2022 hat Papst Franziskus den hl. Irenäus von Lyon mit dem Titel „Kirchenlehrer“ und „doctor unitatis“ („Lehrer der Einheit“) ausgezeichnet und damit seinen prägenden Einfluss auf Kirche und Theologie unterstrichen. Bereits in seiner Ansprache vor den Teilnehmern des in Rom tagenden St. Irenäus Arbeitskreises am 7. Oktober 2021 hatte der Papst die bevorstehende Ernennung angekündigt und von der herausragenden Bedeutung des Heiligen als „geistliche und theologische Brücke zwischen den Christen in Ost und West“ gesprochen. Irenäus ist nun in der Liste der westlichen Kirche, die umfangreicher ist als die der östlichen, der 37. Kirchenlehrer.

Irenäus-Ikone
Die hier abgebildete Ikone des hl. Irenäus ist dem Katalog des St. Elisabethklosters in Minsk entnommen: https://catalog.obitel-minsk.com.

Irenäus stammte aus Smyrna, dem heutigen Izmir, der Heimatstadt des hl. Bischofs Polykarp († um 166) und gilt als dessen Schüler. Nach dem Zeugnis des Irenäus ist Polykarp nicht nur von den Aposteln unterwiesen worden, sondern auch von ihnen in der Provinz Asia zum Bischof von Smyrna eingesetzt worden. Als jungen Erwachsenen hat es Irenäus nach Lugdunum, dem heutigen Lyon, verschlagen. Hier finden wir ihn 177 im Kollegium der Priester verzeichnet. In diesem Jahr brach, während er sich in Rom aufhielt, eine Christenverfolgung aus, der auch der betagte Bischof Pothinus zum Opfer fiel. Irenäus wurde nach seiner Rückkehr zu seinem Nachfolger gewählt.

Die Einheit des Glaubens war damals von der Gnosis bedroht, einer im zweiten und dritten Jahrhundert verbreiteten Irrlehre, die das Christentum zu einer weltflüchtigen dualistischen Religion umdeutete: Gott ist rein geistige Größe. Die „wahre Geheimlehre“ verstünden nur die Eingeweihten, die „Gnostiker“. Die Erlösung des Menschen liege in der „Erkenntnis“ der Göttlichkeit seines eigenen Selbst. Die Gnosis verachtete die Materie: Die sichtbare Welt sei durch einen „Demiurgen“ geschaffen, der den minderwertigen „fleischlichen“ Menschen bildete, in dem er das zur göttlichen Oberwelt gehörende „Pneuma“ mit der „bösen Materie“ vermischte.

Irenäus begegnet der Berufung der Gnostiker auf eine „Geheimlehre“ mit dem Hinweis auf das wahre Evangelium, das die Bischöfe von den Aposteln empfangen hätten. In diesem einfachen Glauben gründe die wahre Tiefe der Offenbarung Gottes: „Es gibt also keine Geheimlehre hinter dem gemeinsamen Glaubensbekenntnis (Credo) der Kirche. Der von der Kirche öffentlich bekannte Glaube ist der gemeinsame Glaube aller.“ Die apostolische Tradition ist „eine“, während die Gnosis ein elitäres, intellektualistisches und letztlich in viele Richtungen zersplittertes Christentum propagiert. Das betonte auch Papst Benedikt XVI. in seiner Katechese vom 28. März 2007 über den hl. Irenäus von Lyon. Er nahm damit einen besonderen Aspekt des Titels vorweg, den Papst Franziskus für den neuen Kirchenlehrer vorgeschlagen hat: „Lehrer der Einheit“.

Irenäus ist wohl der erste Theologe – Dogmatiker – der für die christliche Lehre ein in sich schlüssiges System gefunden hat, mit dem die Gnosis widerlegt wurde und auf das die späteren östlichen und westlichen Theologen zurückgriffen. Als solchen würdigte ihn auch Papst Franziskus in seinem Dekret vom 21. Januar: „Der heilige Irenäus von Lyon, der aus dem Osten stammte, übte sein bischöfliches Amt im Westen aus. Er war eine geistliche und theologische Brücke zwischen den Christen des Ostens und des Westens“. Und weiter: „Sein Name, Irenäus, drückt jenen Frieden aus, der vom Herrn kommt, der versöhnt und die Einheit wiederherstellt.“

Als versöhnend und Einheit stiftend erwies sich Irenäus etwa im Streit um das Datum des Osterfestes. Mit dem Argument, dass das Datum für die Osterfeier keine Frage der Glaubenslehre, sondern eine Frage liturgischer oder traditioneller Gepflogenheiten ist, konnte er den römischen Bischof Viktor (189–198), der autoritativ den in Rom üblichen Brauch durchsetzen wollte, Ostern am Sonntag nach dem 14. Nisan zu feiern, zum Einlenken bewegen und dadurch ein Schisma mit den Gemeinden in Kleinasien und Palästina verhindern, die auf das Datum des jüdischen Pessachfestes am 14. Nisan als Osterdatum beharrten (den „Quartodezimanern“).

Irenäus starb um 202 in Lyon, vermutlich bei einer Christenverfolgung unter Kaiser Septimius Severus. Doch fehlen darüber genauere Informationen. Im Osten und im Westen gilt er als „Vater der Kirchenväter“. (Hanns Sauter)


Irenäus – Namengeber und „ökumenisches Programm“ des orthodox-katholischen Arbeitskreises St. Irenäus

Der Gemeinsame orthodox-katholische Arbeitskreis St. Irenäus wurde im Jahr 2004 auf Initiative des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik, Paderborn, und einiger katholischer Ostkirchenexperten gegründet. Dem Arbeitskreis gehören 13 orthodoxe Theologen aus verschiedenen orthodoxen Ortskirchen (Konstantinopel, Antiochien, Russland, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Amerika) und 13 katholische Theologen aus verschiedenen Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, USA) an.

Es handelt sich nicht um eine offizielle Dialogkommission, sondern um einen inoffiziellen Gesprächskreis, der in der Intention zusammenkommt, den orthodox-katholischen Dialog auf internationaler Ebene zu fördern, indem die Mentalitäten und Denkformen erforscht werden, die den unterschiedlichen Herangehensweisen zugrunde liegen.

Die Teilnehmer der konstituierenden Sitzung in Paderborn wählten den hl. Irenäus von Lyon als geistlichen Patron des Arbeitskreises, weil er ein in Ost und West verehrter Kirchenvater ist, dessen Biographie – er stammte aus dem Osten (Kleinasien) und wirkte als Bischof im Westen (Lyon) – exemplarisch für die geistliche Verbindung zwischen den Kirchen in Ost und West steht, die der Arbeitskreis durch seine Beratungen fördern möchte.

Seit 2004 tagt der Irenäus-Arbeitskreis unter dem Vorsitz von Bischof Gerhard Feige, Magdeburg. Orthodoxer Ko-Vorsitzender ist seit 2018 Metropolit Serafim Joantă von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa der Rum.-orth. Kirche. Bezüglich der jährlich abgehaltenen Tagungen achtete man darauf, dass sie abwechselnd in einem katholischen Umfeld und in einem orthodoxen Umfeld abgehalten wurden, so etwa 2018 in Graz, 2019 in Trebinje, 2021 in Rom. Zuletzt widmete man sich der Entwicklung des Verhältnisses von Primat und Synodalität im Laufe der Kirchengeschichte.

Irenäus, Bischof von Lyon (ca. 135–202), in die Reihe der Kirchenlehrer aufgenommen