Unser Nationalsekretär Hanns Sauter hat in der Zeitschrift „Gottesdienst“ zwei Artikel zur Ikonentheologie und zu einem österlichen Ikonenmotiv veröffentlicht. Dankenswerterweise haben wir die Erlaubnis erhalten, die Artikel auf unserer Website zu veröffentlichen. Hier der zweite der beiden Beiträge, den ersten finden Sie hier.
„Sagt lieber den Aposteln, er ist erstanden!“
Bausteine für einen Ostergottesdienst mit Betrachtung der Ikone der Frauen am Grab Jesu
In vielen Kirchenräumen gibt es Ikonen, die – meist in Seitenkapellen aufgestellt – der individuellen Andacht dienen. Gottesdienste eröffnen die Chance, in einer Bildbetrachtung die Symbolik des Kunstwerkes für alle zu erschließen.
Das folgende Beispiel bietet Bausteine für einen Ostergottesdienst mit Betrachtung der Ikone der Frauen am Grab Jesu. Die Ikone sollte gut sichtbar für alle aufgestellt, auf eine Leinwand projiziert und/oder für alle ausgedruckt werden.
- Lektor/in 1: Der Chor der Engel war erschrocken, da unter die Toten er dich gezählet sah, dich, der du, o Retter, des Todes Macht zerbrochen und Adam mit dir auferweckt und aus der Hölle alle befreiet hast.
- Lektor/in 2: Die Engel verstehen die Menschen nicht, die Jesus für tot halten, wo er doch den Toten Befreiung und Leben gebracht hat. – Was sind für mich Zeichen für Leben? Was bedeuten sie für meinen Glauben?
- L 1: Was mischt ihr Salben mitleidsvoll mit Tränen, o ihr Jüngerinnen? Der Engel, der am Grab erstrahlte, sprach zu den salbentragenden Frauen: schaut an das Grab und ihr werdet verstehen: der Retter ist vom Grab erstanden.
- L 2: Die Frauen sind noch ganz mit den Ereignissen der vergangenen Tage beschäftigt. Der Engel, der mehr Einblick hat in die göttliche Gedankenwelt, führt sie langsam zum Osterglauben: Gott ist der Schöpfer. Er kann sein Leben nicht verlieren. Er kann „nur“ retten.
- L 1: Mit Spezerei kamen die salbentragenden Frauen zu Deinem Grabe, o Heiland, und weinten. Doch der Engel sprach zu ihnen: Was zählt ihr den Lebenden zu den Toten? Als Gott ist er vom Grabe erstanden!
- L 2: Die Frauen verstehen die Botschaft noch nicht. Der Engel wird energischer und sagt sie ihnen mit anderen Worten nochmals. Haben wir die Osterbotschaft verstanden? Müssen wir sie uns nicht auch immer wieder sagen lassen? Welche der dargestellten Frauen steht mir am nächsten?
- L 1: Ganz in der Frühe liefen die salbentragenden Frauen wehklagend zu deinem Grabe, doch der Engel trat ihnen entgegen und sprach: vorüber ist die Zeit der Klage, weinet nicht, sagt lieber den Aposteln: er ist erstanden!
- L 2: Sich in Grübelei und Trauer verlieren, hat keinen Sinn. Oft braucht es einen Anstoß von außen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und zu sehen, was jetzt an der Reihe ist. Was lässt mich aufleben? Wie kann ich den Glauben und seine frohe Botschaft verbreiten?
- L 1: Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste.
Wir beten an den Vater und den Sohn samt dem Heiligen Geiste, die heilige Dreifaltigkeit in einer Natur und singen mit den Seraphim: Heilig, heilig, heilig bist du o Herr.
Jetzt und allezeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Alleluja, alleluja, alleluja, Ehre sei dir, o Gott. - L 2: Wer so einen weiteren Schritt in seiner Gottesbeziehung gemacht hat, dem bleibt nur, sich dem Lobgesang der Engel anzuschließen und sich unter den Segen des lebendigen Gottes zu stellen.
- Meditativer Gesang oder Text zum Thema der Ikone.
- Die Ikone von den Mitfeiernden betrachten lassen und Eindrücke dazu austauschen.
- Raum für Stille, Gespräch und freies Gebet geben.
- Vor der Ikone Weihrauch und Kerzen aufstellen und am Schluss einladen, die Kerzen mitzunehmen und als Zeichen für die Osterbotschaft weiterzugeben.
- Gesänge aus dem Liedgut der Westkirche:
- Ostersequenz „Victimae paschalis laudes“ (GL 320/KG 433)
- Gelobt sei Gott im höchsten Thron (GL 328/KG 437)
- Welcher Engel wird uns sagen (W. Wilms).
Eröffnung:
Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaft auferstanden! Wenn Christus nicht auferstanden wäre, wäre unser Glaube hinfällig, schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth (vgl. 1 Kor 15,14). Mit einem Bekenntnis zur Auferstehung Jesu haben wir unseren Gottesdienst begonnen und dabei einen Gruß verwendet, den sich orthodoxe Christen in den Gottesdiensten der Osterzeit immer wieder zurufen. Worauf aber beruht unser Glaube an die Auferstehung Jesu.
Evangelium:
Mt 28,1–8 oder Mk 16,1–8 oder Lk 24,1–12
Zu den Bibeltexten:
Das Evangelium ist eindeutig. Nach den Berichten von Matthäus, Markus und Lukas waren einige Frauen die ersten, die die Botschaft vom auferstandenen Jesus gehört und dann auch weitergegeben haben. Ihr Zeugnis ist wesentlich für unseren Glauben! Dies ist schon deshalb bemerkenswert, weil in der Standesordnung der damaligen Welt die Aussage von Frauen so gut wie nichts gegolten hat. Dass nun Frauen die Grundlage eines Glaubens verkünden, der für die ganze Welt von Bedeutung ist, zeigt, dass Gottes Wege immer wieder anders sind, als sich es Menschen vorstellen. Bei Gott gelten eben andere Maßstäbe! Er sorgt immer wieder für Überraschungen. Dazu gehört auch die Botschaft, dass ein Toter lebt.Die Evangelisten schildern das Ereignis am Ostermorgen mit jeweils eigenen Akzentsetzungen, sind sich jedoch darin einig, dass Frauen am Morgen nach Jesu Kreuzigung sein Grab aufsuchten und vor einem leeren Grab standen. Lukas erwähnt, dass Jesus der erste war, der in dieses Grab gelegt wurde. Eine Verwechslung von Toten war daher nicht möglich, das Grab muss bei der Ankunft der Frauen leer gewesen sein. Was sie dort erlebten, war für sie ein Wechselbad aus Angst, Entsetzen und Freude. Die Bibel kennt solche Abläufe: Immer wenn Gott in die Welt der Menschen einbricht, reagieren diese zunächst mit Furcht und Schrecken. Doch wandeln sich diese Empfindungen dann in Freude und münden in ein Lob Gottes. Die Ikone und die zugehörigen gottesdienstlichen Texte bringen dies ins Wort und Bild.
Hinweis: Die folgende Betrachtung bezieht sich auf die oben abgebildete Ikone. Andere Varianten setzen Akzente: statt eines Mausoleums eine Grabhöhle; zwei statt eines Engels; Maria und Salome im Gespräch mit dem Engel, während sich Maria von Magdala schon auf den Weg macht; die regungslosen Wächter …
Der folgende Text lässt sich leicht auf die anderen Varianten der Ikone anpassen.
Bildbetrachtung – die Botschaft der Ikone:
Schauplatz ist eine Felsenlandschaft, in der kein Leben herrscht. Nicht einmal ein Grashalm ist zu sehen. In dieser Landschaft ist ein Mausoleum zu sehen, dessen Eingang offen steht. Der Rollstein, der den Eingang verschließen soll, ist beiseite gewälzt. Auf ihm hat ein Engel in strahlendem Weiß Platz genommen. Die Stellung seiner Flügel deutet an, dass er eine Botschaft für die Frauen hat, die sie sehr bewegen wird. Auch schwebt er mehr als dass er sitzt. Mit seiner linken Hand hält er den Botenstab, der ihn als Überbringer einer bedeutenden Nachricht kennzeichnet, mit seiner rechten zeigt er in das Grab und verweist auf ein Tuch, das im selben strahlenden Weiß gehalten ist wie sein Gewand. Das Tuch ist wie eine Lichtquelle in der Finsternis des Grabesinneren. Der Blick des Engels ist auf drei Frauen gerichtet, die gerade den Weg durch die Felsenlandschaft gehen und nun kurz vor ihrem Ziel stehen, dem Grab, in das Jesus gelegt wurde. Das Markusevangelium nennt ihre Namen: Maria von Magdala, Maria und Salome. Sie tragen Gefäße mit Salböl. Dies hat ihnen und der Ikone die Bezeichnung „Die myrontragenden Frauen“ gegeben. Myron heißt das Salböl, das in Gottesdiensten der östlichen Kirchen verwendet wird. Maria von Magdala, erkennbar an ihrem roten Gewand, ist eindeutig die Anführerin der Gruppe. Neben ihr geht die „andere Maria“ und hinter beiden Salome, von der nur der Kopf zu sehen ist.Während Salome noch im Gespräch mit der anderen Maria darüber ist, wer den Stein vom Grab wegwälzen könnte, hat diese schon bemerkt, dass etwas Unerwartetes eingetreten ist. Ihre rechte Hand verrät ein abwartendes Innehalten. Maria von Magdala diskutiert bereits mit dem Engel, der ihnen den Zugang zum Grab versperrt. Die Haltung ihrer linken Hand verrät intensive Kommunikation. Der Engel lenkt ihre Aufmerksamkeit auf das Tuch, das in der dunklen Grabkammer liegt, und sagt damit, dass der Grund des Kommens der drei Frauen nicht mehr besteht. Behutsam, aber mit Autorität spricht er die Gedanken der drei Freundinnen an: „Ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht in diesem Grab! Es gibt hier keinen Toten. Ihr könnt aufhören zu weinen! An der Stelle, an die er gelegt wurde, liegt nur noch das Leichentuch. Jesus lebt und braucht dieses und auch euer Salböl nicht mehr! Erinnert ihr euch nicht daran, was er schon lange vor seiner Kreuzigung zu euch gesagt hat? Jetzt ist etwas anderes wichtig: Geht und erzählt seinen Jüngern, was geschehen ist.“
Die Worte des Engels bringen die Frauen zum Nachdenken und zum Glauben. Die Hymnen der Ostkirche deuten dies aus: „Der Engel, der am Grabe stand, rief den balsamtragenden Frauen zu: Balsam ziemet den Toten. Doch fremd der Verwesung ist Christus. Ruft vielmehr: Der Herr ist erstanden und schenkt der Welt das große Erbarmen“ (Tropar von Sonntag der balsamtragenden Frauen, 3. So. der Osterzeit). Was sie erfahren haben, sollen sie nicht für sich behalten. Der Engel beauftragt sie: „Dem Morgengrauen eilten die Frauen um Maria voraus und fanden den Stein weggewälzt vom Grab. Sie hörten vom Engel: Was sucht ihr den im ewigen Licht Seienden bei den Toten wie einen Menschen? Seht die Grabtücher! Lauft und verkündet der Welt, dass der Herr auferweckt wurde und den Tod getötet hat, dass er Gottes Sohn ist, der das Menschengeschlecht rettet“ (Hypakoi für die Sonntage).
Auf die Worte des Engels hin eilen sie zu den Aposteln, die die Auferstehungsbotschaft noch nicht erfahren haben, und drängen diese: „Die salbentragenden Frauen brachen auf im Morgengrauen. Und da das leere Grab sie geschaut, sprachen sie zu den Aposteln: Die Verwesung besiegte der Mächtige und entriss den Hadesbewohnern die Ketten. Freimütig gebet die Kunde: Christus, der Herr, ist erstanden und schenkt der Welt das große Erbarmen“ (Laudes vom Dienstag der dritten Osterwoche, Kathisma)
Meditation:
Die Meditation setzt sich aus einem ostkirchlichen Sonntagslobpreis (Evlogitarien, Lektor 1) und einer Ausdeutung zusammen (Lektor 2).
Eine Melodie für die Sonntagsevlagotarien findet sich im „Notenarchiv ostkirchlicher Gesänge unter abtei-niederaltaich.de, Rubrik „Spiritualität“ – „Notenarchiv“ bzw. unter dem direkten Downloadlink (PDF) https://www.abtei-niederaltaich.de/fileadmin/Dateien/Noten/matutin/Evlogitarien-syntomos.pdf.
Weitere Anregungen für den Gottesdienst
Weitere Informationen zur Theologie der Ikonen bietet der Beitrag Bilder der Erlösung.
Hanns Sauter
Hanns Sauter, geb. 1951, studierte Theologie in Würzburg und Wien sowie Caritaswissenschaften und christliche Sozialarbeit in Freiburg i. Br., seit 1982 tätig im Fachbereich Seniorenpastoral der Erzdiözese Wien vor allem im Bereich Begleitung und Fortbildung der pfarrlichen MitarbeiterInnen. Mitarbeiter in verschiedenen Einrichtungen der Erwachsenenbildung (Altenbildung).
Quelle: Gottesdienst 2024, Heft 6-7, S. 69-70
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