Vor 31 Jahren, im Jahr 1988, kam die gebürtige Steirerin Jasmine Dum-Tragut im Rahmen eines Studienaufenthaltes in der damaligen Sowjetunion eher zufällig nach Armenien. Es war das Jahr, in dem ein schweres Erdbeben die Region Gyumri im Norden des Landes erschütterte. Armenien hat sie seither nicht mehr losgelassen. Bei unzähligen Forschungsprojekten hat sie mitgewirkt, manche auch selbst initiiert und viele Kontakte mit wissenschaftlichen und kirchlichen Einrichtungen geknüpft. Vielen Reisegruppen aus Österreich hat sie auf höchst kompetente Weise die Denkmäler und Sehenswürdigkeiten Armeniens erschlossen. Heute ist sie die einzige habilitierte Armenologin Österreichs und Leiterin des Zentrums zur Erforschung des Christlichen Ostens der Universität Salzburg und Projektleiterin der Abteilung für Armenische Studien.
Die von ihr kurarierte und am 31. August 2019 im Rahmen eines Festakts im Genozid-Museum in Jerewan eröffnete Ausstellung über das Schicksal armenischer Soldaten, die in der russischen Armee gegen Österreich-Ungarn kämpften und in Kriegsgefangenschaft gerieten, ist das Ergebnis dreijähriger Forschungsarbeit in österreichischen, armenischen und russischen Archiven und intensiver Feldforschung in den Heimatdörfern der Kriegsgefangenen, wo sie Angehörige ausfindig gemacht und Nachkommen von Rückkehrern angetroffen hat. Dum-Tragut: „Wenn vom Ersten Weltkrieg die Rede ist, denkt in Armenien jeder an den furchtbaren Genozid, den Jungtürken im Jahr 1915 im damaligen Osmanischen Reich an bis zu 1,5 Millionen Armeniern verübt haben. Das Ziel der Ausstellung ist es, auch die Geschichte jener Armenier ins Bewusstsein zu rufen, die im Ersten Weltkrieg in der russisch-zaristischen Armee an der Front gekämpft haben.“
Einzigartige Exponate – Fotos, Film- und Tonaufnahmen aus österreichischen Archiven sowie Fotos und Erinnerungsstücke aus dem Besitz der Nachkommen in Armenien – und ausgewählte Lebensgeschichten beleuchten das Schicksal und die Lebensumstände von 20 Soldaten, die in österreichischen Kriegsgefangenenlagern wie z.B. in nö. Purgstall, Spratzern und Wieselburg oder in Grödig bei Salzburg festgehalten wurden und als Helfer bei Bauern, in Fabriken oder im Straßenbau arbeiteten.
Dum-Traguts Interesse an der Thematik wurde ursprünglich durch Phonogramm-Aufnahmen von Armeniern geweckt, die der österreichische Anthropologe Rudolf Pöch während des Ersten Weltkriegs im Auftrag der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in österreichischen Kriegsgefangenenlagern gemacht hatte. Pöch hatte 7000 russische Kriegsgefangene, darunter auch 200 Armenier, anthropologisch untersucht. Er hat sie vermessen, fotografiert, Gipsabdrücke angefertigt, ihre Daten dokumentiert und eben auch Stimmaufnahmen gemacht. „Das Phonogramm-Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat mich vor einigen Jahren als Expertin für die Pöch’schen Stimmaufnahmen der Armenier zu Rate gezogen. Damals war ich von einer Stimme – sie gehörte einem gewissen Arschak Manukyan – so fasziniert, dass ich mich auf die Suche nach der Person zur Stimme gemacht habe. Das war der Keim meiner Forschung, die jetzt in der Ausstellung mündete und die Frucht einer – vom österreichischen Außenministerium unterstützten – vorbildlichen Zusammenarbeit mit dem Team des Genozid-Museums um Direktor Harutyun Marutyan ist“, so Jasmine Dum-Tragut.
Direktor Marutyan wiederum hob das Engagement und Einfühlungsvermögen hervor, mit dem die Armenologin aus dem fernen Österreich mit den Nachkommen der Kriegsgefangenen Kontakt aufnahm und so manch verborgene und vergessene Lebensgeschichte ans Licht brachte: „Sie freute sich mit ihnen, trauerte und weinte vor Rührung mit ihnen.“ Von unglaublich berührenden Augenblicken, die manche Angehörige, die der Präsentation der Ausstellung am 31. August beiwohnten, regelrecht überwältigte, und von einem großen Interesse der Medien berichtete auch Dr. Helmut P. Gaisbauer, Präsident des Internationalen Forschungszentrums und Mitglied einer Delegation der Universität Salzburg zur Ausstellungseröffnung nach Jerewan. (Gottfried Glaßner)